News aus den Finanzmärkten

Stoppt Corona Trump?

Dr. Thomas Gitzel, Chefökonom
Lesedauer: 6 Min
In knapp vier Monaten stellt sich Donald Trump der Wiederwahl als US-Präsident. Seine Chancen sind wegen der Corona-Pandemie gesunken.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie, der massive Einbruch der US-Wirtschaft und die Proteste nach dem Tod von Georg Floyd haben die Karten neu gemischt. In unserem «News aus den Finanzmärkten» vom Februar gingen wir fest von einer Wiederwahl Donald Trumps aus. Unsere historische Analyse hatte gezeigt, dass bei einer rund laufenden US-Wirtschaft der Amtsbonus sehr schwer wiegt. Ein Verbleib im Weissen Haus ist unter normalen Umständen eine ziemlich sichere Sache.

Rezessionen sind gut für Herausforderer

Nur vier Monate sind seither vergangen und die Situation ist alles andere als gewöhnlich. Rezessionen, die mit einer hohen Arbeitslosigkeit einhergehen, lassen die Unzufriedenheit in der Bevölkerung steigen. Und bereits jetzt ist klar: Die Corona-Krise ist in ihrer wirtschaftlichen Dimension nahezu beispiellos. Die US-Arbeitslosenquote lag zuletzt bei über 13 % - ein seit dem 2. Weltkrieg noch nie gemessener Wert. Zwar wird das Anfahren der US-Wirt-schaft die Beschäftigung in den kommenden Wochen wieder spürbar erhöhen, doch die Sockelarbeitslosigkeit fällt vorerst höher aus. Eine Studie der Universität von Chicago geht davon aus, dass 42 % der im Zuge der Corona-Krise abgebauten Jobs dauerhaft nicht mehr wiederbesetzt werden. Hinzu kommt nun auch noch, dass in weiten Teilen der Bevölkerung das Krisenmanagement nach dem Tod des Afroamerikaners Georg Floyd durch einen weissen Polizisten als unzureichend empfunden wird.

Was aber alleine die Konjunktur mit den Wiedewahl-chancen eines US-Präsidenten macht, verdeutlicht der Blick in die Historie. Nur zehn Präsidenten wurden nach der ersten Amtszeit überhaupt abgewählt. Vier davon scheiterten an einer schwierigen Situation der Wirtschaft:

Herbert Hoover: Weltwirtschaftskrise

Herbert Clark Hoover (Republikaner) war von 1929 bis 1933 der 31. Präsident der Vereinigten Staaten. Seine Amtszeit fiel inmitten der Weltwirtschaftskrise. Bei den Präsidentschaftswahlen 1932 musste sich Hoover gegen Franklin D. Roosevelt deutlich geschlagen geben. Er schied als einer der unbeliebtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte aus dem Amt.

Gerald Ford: Ölpreisschock

Gerald Ford (Republikaner) war von 1974 bis 1977 der 38. Präsident. Fords Amtszeit war bereits zu Beginn vom Ölpreisschock geprägt. Die US-Wirtschaft steckte bis zum Frühjahr 1975 in einer Rezession. Auch die Nachwirkungen der Watergate-Affäre, die seinen Vorgänger Richard Nixon zum Rücktritt zwangen, und des Vietnamkrieges sowie eine Reihe von Kongressuntersuchungen zu illegalen Aktivitäten der US-Geheimdienste führten zu einer Vertrauenskrise der Bevölkerung gegenüber den Politikern in Washington.

Jimmy Carter: Zweiter Ölpreisschock - Stagflation

James Earl «Jimmy» Carter Jr. (Demokrat) war zwischen 1977 und 1981 der 39. Präsident. Carter bekam die Stagflation der 1970er-Jahre nicht in den Griff. Darüber hinaus rutschte die Wirtschaft 1980 in eine Rezession. Die schwierige wirtschaftliche Situation und ein unglückliches Krisenmanagement nach einem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island in Pennsylvania und der Iran-Krise bekamen ihm nicht gut.

George H.W Bush: Rezession, Arbeitsmarkt

George Herbert Walker Bush (Republikaner) war von 1989 bis 1993 der 41. Präsident. Bushs Zustimmungsraten waren zu Beginn seiner Amtszeit sehr hoch, fielen aber sukzessive. Die Rezession im Anschluss an den Irak-Krieg zur Befreiung von Kuwait trug hierzu bei. Obwohl die wirtschaftliche Kontraktion offiziell im März 1991 endete, blieben die konjunkturellen Bedingungen schwierig. Die US-Arbeitslosenquote stieg auf knapp 8 %. Der Wahlkampf im Jahr 1992 war dann auch massgeblich von der wirtschaftlichen Kompetenz bestimmt. Das Rennen um das Weisse Haus entschied schliesslich Bill Clinton für sich.

Es zeigt sich also: Wer im Weissen Haus wohnen bleiben möchte, braucht eine starke US-Wirtschaft. Die gegenwärtige Situation ist derzeit gut vergleichbar mit der Ära von Jimmy Carter. Neben der Überwindung wirtschaftlicher Schwäche war vor allem Krisenmanagement in den Jahren 1977 bis 1981 gefragt. Trump ergeht es nun ähnlich: Seine Popularität sinkt.

Aktuelle Zustimmungswerte sinken

Der Ausbruch der Corona-Pandemie und die dem Tod von George Floyd gefolgten Massenproteste stellen Trump vor grosse Herausforderungen. Die Antworten des Weissen Hauses darauf werden mittlerweile in weiten Bevölkerungsschichten als unzureichend empfunden. Dies schlägt sich auch in den Zustimmungswerten nieder. Laut Analyse des Meinungsforschungsinstituts RealClearPolitics sind nur noch 42 % der Amerikaner mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden. 55 % sind unzufrieden.

Zustimmungsraten

Zufriedenheit mit dem US-Präsidenten

Allerdings gibt dieses Stimmungsbild nur eine erste Indikation. Der Präsident wird nicht direkt gewählt, sondern von Wahlmännern. Letztere werden direkt vom Volk bestimmt. In fast allen Bundesstaaten gilt dabei das Mehrheitswahlrecht. Das heisst, diejenige Partei, die die einfache Mehrheit erreicht, gewinnt sämtliche diesem Staat zustehenden Wahlmännerstimmen. Die Wahlmännerver­sammlung (das sogenannte «Electoral College») nimmt dann das entscheidende Votum vor. Es muss demnach nicht zwingend der Kandidat Präsident werden, der die meisten Stimmen des Volks auf sich vereint. Was zählt ist alleine wie viele Stimmen der Kandidat im Electoral College bekommt.

Entscheidend sind die so genannten Swing States. Das sind Bundesstaaten, in denen es keine traditionelle Mehrheit für eine der zwei Parteien gibt und die gleichzeitig eine grosse Anzahl von Wahlmännern entsenden. Zum Beispiel brachte es Hillary Clinton 2016 kurz vor der Wahl in nationalen Umfragen gegenüber Trump stellenweise auf einen Vorsprung im zweistelligen Bereich.

Aktuell hat der designierte Kandidat der Demokraten, Joe Biden, Umfragen zufolge in den meisten Swing States einen Vorsprung. Allerdings ist dieser knapp bemessen und es dauert noch gut vier Monate bis zu den Präsidentschaftswahlen. Die Ergebnisse der Demoskopen sollte deshalb mit grosser Vorsicht genossen werden – gerade auch aufgrund des Mehrheitswahlrechtes.

Letztlich wird der weitere Verlauf der Corona-Virus Pandemie mit all den wirtschaftlichen Folgen für die Wiederwahl Donald Trumps entscheidend sein. Wenngleich derzeit auf nationaler Ebene die Anzahl der Neuinfektionen sinkt, so ist in einzelnen Staaten genau der umgekehrte Trend auszumachen – darunter auch in den Swing-Staaten Arizona, Florida und North Carolina. Im traditionell republikanischen Texas steigen die Neuinfektionen ebenfalls deutlich an. Sollte darunter in weiterer Folge auch die Wirtschaft in diesen Staaten deutlich leiden, könnte die Stimmung nachhaltig zugunsten von Biden drehen. Bereits jetzt hat Trump in Texas keinen deutlichen Vorsprung mehr vor seinem demokratischen Herausforderer.

Auf Biden wird gewettet

Das veränderte Stimmungsbild schlägt sich auch in den Wettquoten nieder. Während zu Jahresbeginn 2020 die Wetteinsätze klar zugunsten von Donald Trump gingen, haben sich die Gewinnchancen verschoben. Die aus den Wetten abgeleitete Wahrscheinlichkeit für einen Wahlsieg des amtierenden Präsidenten liegt nur noch bei 44 %, Herausforderer Biden kommt auf mittlerweile 54 %. Noch im Februar lag der Wert für Trump bei 58 %. Die Wetteinsätze können sich in den kommenden Monaten nochmals deutlich verändern, aber auch von dieser Seite zeigt sich, dass die Corona-Pandemie dem Ansehen des Präsidenten nicht gut bekommt.

Fazit

Der scharfe Einbruch der US-Wirtschaft in Folge des Ausbruchs der Corona-Pandemie und die Massenproteste nach dem Tod von George Floyd führten zu einem Schwenk der politischen Stimmung. Während zu Jahresbeginn ein Sieg von Donald Trump nahezu als sicher erschien, wackelt nun sein Stuhl. Wäre die Präsidentschaftswahl schon heute und nicht erst im November, müssten im Weissen Haus wohl die Umzugskartons gepackt werden.

Da die rasche Einführung eines Impfstoffes gegen Covid-19 mehr Wunsch als Wirklichkeit ist, wird das «Social Distancing» bis auf weiteres das Gebot der Stunde sein. Doch solange Kontaktbeschränkungen aufrecht erhalten bleiben, wird die Wirtschaft zumindest teilgelähmt sein. Damit hängt die Latte einer Wiederwahl für Trump hoch.

Allerdings sollte der derzeitige Chef im Weissen Haus noch nicht ganz abgeschrieben werden. In den entscheidenden Swing-States sind die Meinungen noch nicht gebildet.

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